Flötenuhren zum Leben erweckt

Viel Applaus für Ann-Helena Schlüter in der Hirschhorner Klosterkirche
Hirschhorn. Am vergangenen Sonntag konnte die frisch restaurierte Krämer-Voit-Orgel sozusagen neu eingeweiht werden. Am Spieltisch saß Ann-Helena Schlüter und spielte ihr Programm „Sehnsuchtsort Orgel“. Die Kirche war voll besetzt, am Ende gab es viel Applaus und eine Zugabe.
Die sympathische Deutsch-Schwedin zählt zu den Berühmtheiten ihres Fachs. Als Organistin, Pianistin, Komponistin, Malerin oder Autorin gilt sie als Tausendsassa in allen Künsten. Was sie auf nur einem Manual mit 13 Registern dann der wachgeküssten Instrumentenkönigin an Klängen entlockte, war beachtlich. Die hervorragende Akustik der Karmeliten-Klosterkirche tat ihr Übriges, zudem wurde ihr Spiel via Beamerprojektion auf eine Leinwand übertragen, so dass auch der körperliche Einsatz der Musikerin, untermalt von den Spielgeräuschen der Orgelmechanik, greifbar wurde. Zwei Flötenuhrstücken von Mozart und Beethoven, eigentlich für mechanische Musikautomaten geschrieben, hauchte sie Leben ein und man war geneigt, die Interpretation durch einen Menschen der maschinellen allemal vorzuziehen, zumal es sich auch kompositorisch um echte Kleinodien handelte.
Ein eigenes Stück, „Längtan“ („Sehnsucht“), durchschritt versonnen, herb, dann lichter und leichter werdend, auf eloquente und dennoch fast improvisiert wirkende Art die Gefühlswelt der Komponistin.
Das intelligent gestrickte Programm begann und endete mit Bach. Waren es eingangs die flirrenden Tongirlanden der G-Dur-Fantasie, so stand im Finale die dramatische Wucht der g-Moll-Fantasie, einem Gipfelwerk seiner Zeit. Ann-Helena Schlüter registrierte und blätterte selbst, was den Eindruck des Lebendigen nur noch verstärkte. Für die Größe Bachs spricht, dass nach der vorwärts drängenden, pianistisch angehauchten Sonate D-Moll des Romantikers Gottfried Ritter die Fantasie Bachs nicht als Rückschritt, sondern als finale Steigerung gelten konnte. Heftiger Applaus und das Einfordern einer Zugabe waren somit eine Selbstverständlichkeit, da musste Paul Kessler vom Förderverein das Publikum nicht lange bitten. Dass gleichzeitig dann mit der Aria aus Bachs Goldberg-Variationen das Kirchenglöckchen läutete, verdichtete die Atmosphäre eher als dass es störte.
Nach eigenem Bekunden war es für die Künstlerin „sehr schön, hier zu konzertieren“. Ihre Homepage ‚ann-helena.de‘ weist so etwas wie einen Orgel-Atlas auf, den sie auf ihren vielen Konzertreisen zusammentrug. Dort findet man nun auch die Geschichte der Hirschhorner Orgel mit allen Aktualisierungen der Disposition erstmals im Netz. Von Hirschhorn, der „Perle des Neckartals“ zeigt Schlüter sich beeindruckt: „Unter der Kirche fließt nämlich der große Neckar mit seinen Schleusen, die den wilden Fluss für die Schifffahrt zähmen sollen, umrahmt von roten Sandsteinfelsen.“
Der Abend schloss mit einem Abendsegen, gespendet von Pater Alex.
Text und Bild: Ronald J. Autenrieth

Historisches Gesamtkunstwerk zu neuem Leben erweckt
In der historischen Hirschhorner Klosterkirche steht ein musikalisches Kleinod, das die Fachwelt aufs Neue begeistert: Eine Orgel aus dem Jahr 1780, gebaut vom kurpfälzischen Hoforgelbauer Andreas Krämer. Als Orgelbauer war Krämer bekannt für seinen einen kurpfälzischen Orgelstil, der auch die Klangstilistik maßgeblich beeinflusste. Rund 250 Jahre nach ihrer Entstehung wurde die Orgel zu neuem Leben erweckt.
Ursprünglich wurde die Orgel für die Simultankirche St. Aegidius in Seckenheim (Mannheim) beauftragt. Binnen kurzer Zeit musste sie bereits mehrmals überholt werden, so dass von der ursprünglichen Orgel lediglich das Gehäuse, der Windladen und Teile des Pfeifenwerks erhalten blieben. Die bedeutendste Maßnahme erfolgte im Jahr 1884 durch die Orgelbauer Voit & Söhne in Durlach, die das Instrument insgesamt neu aufgesetzt haben. Im Zuge dessen hat sich auch die Disposition der Orgel verändert und aus der kurpfälzischen wurde eine Barockorgel mit dem typischen vollen, warmen und resonanten Ton. In 1910 zog sie nach Weinheim in die Herz-Jesu-Kirche um und in 1956 wurde sie von der Pfarrgemeinde Hirschhorn für die Klosterkirche gekauft. Endlich hatte die historische Kirche oberhalb der Hirschhorner AltstadtHirschhorner Altstadt wieder eine eigene Orgel. Über eine Vorgängerin finden sich nur vage Informationen in Unterlagen aus dem Jahr 1641.
Die „Krämer-Orgel“ behauptet also ihren Platz in der Klosterkirche seit fast 70 Jahren. Zwischenzeitlich und im Zuge der Innenrenovierung der Kirche wiederholt abgebaut und saniert, erwies sich der Standort jedoch als kritisch. Die Hanglage und die fehlende Heizung der Kirche begünstigen eine hohe Luftfeuchtigkeit, die für massive Beeinträchtigungen der Orgel sorgte – ein Problem, das immer wiederkehren sollte, sofern nicht dagegen vorgegangen werde. So zumindest lautete die Diagnose der mit der Sanierung beauftragten Orgelbaufirma Vleugels in Hardheim. Die Orgel war unspielbar geworden.
Mit Hilfe zahlreicher Spender und Förderer gelang es dem Förderverein Klosterkirche Gelder für eine grundlegende Arbeit zur Rettung der Orgel zu sammeln. So konnte die vorerst letzte umfassende Orgelsanierung in 2024 stattfinden und mit ihr auch die Umsetzung eines nachhaltigen Klimakonzepts der Klosterkirche, das weitere klimabedingte Schäden an der Orgel verhindern soll. Im Ingenieurbüro Breiden und Stittgen, Gaiberg fand der Förderverein profunde Experten für Kirchenheizungen und -lüftungen und so entstand ein intelligentes und weitreichendes Konzept, die weiterhin ungeheizte Kirche mit einer geeigneten Lüftungsanlage zu versehen. Dass dieses Konzept aufging, bestätigte sich schon nach kurzer Zeit, als die Luftfeuchtigkeit bereits soweit gesenkt worden war, dass die Sanierung und der Einbau der historischen Orgel abgeschlossen werden konnte.
Schon die ersten Spielproben neugieriger Orgelexperten zeigten, wie sehr sich der Aufwand gelohnt hat. Gleich mehrere Musiker haben begeistert das „neue“ alte Instrument ausprobiert und ihr einhelliges Urteil lautet: „Die Orgel war nie in einem besseren Zustand!“ Zum Einweihungsgottesdienst im September 2024 war als Organist eigens der Mainzer Bezirkskantor Gregor Knop angereist und er zeigte sich beeindruckt vom Klang der historischen Orgel, die endlich zu neuem Leben erweckt wurde.
Zu ihrem Schutz wird die Orgel im Winter in der unbeheizten Klosterkirche nicht gespielt. Aber spätestens im Frühjahr, wenn die Temperaturen steigen, füllt sich die Klosterkirche wieder mit dem ehrwürdigen Klang einer Orgel aus dem Jahr 1780.
Das nächste große Orgelkonzert ist für Mai 2025 geplant, wenn die bekannte Organistin Anna-Helena Schlüter Werke berühmter Komponisten spielt. Darauf darf man sich freuen.
Details folgen.